Alpen 1999: Chur, Via Mala, Splügenpass, Malojapass, St. Moritz, Julierpass, Lenzerheide

Eindrucksvolle Bilder erwarten uns an der Rheinschlucht und der Via Mala, eine Menge Kehren am Splügenpass und jede Menge Fahrspaß am Maloja. Bevor es über den archaischen Julierpass und Lenzerheide zurückgeht, machen wir noch einen kurzen Abstecher ins weltbekannte St. Moritz. Die vier Schluchten auf dieser Tour gaben ihr den Namen.

In Kürze:

Obersaxen, Thusis, Via Mala, Splügenpass, Chiavenna, Malojapass, St. Moritz, Julierpass, Tiefencastel, Lenzerheide, Chur, Flims, Obersaxen 7,5 h, 300 km

 

Im Detail:

Diesmal beginne ich die Tourbeschreibung in Obersaxen, einer typischen, auseinandergezogenen Walsersiedlung aus 28 Weilern. Hier im Romanischen ist Obersaxen eine deutschsprachige Insel. Viele kleine Wald- und Feldwege verbinden die Ortschaften miteinander und die wenigsten sind für Kraftfahrzeuge gesperrt.

Hätte ich eine Enduro statt der Pan gehabt, hätte ich wahrscheinlich die 14 Tage Urlaub hergenommen, um diese alle zu erkunden. Unverständliche Blicke oder sogar böses Gefrotzel erhielten wir auf diesen Wegen nur von anderen Urlaubern -- vorallem deutschen. Diese bildeten sich ein, auch hier ihre heimische Besserwisserei und mitmenschliche Freiheitsbeschneidung ausleben zu müssen. Die Einheimischen jedenfalls grüßten uns freundlich oder winkten uns zu! Schließlich fuhren wir mit der gebotenen Vorsicht auf den Wegen und frästen nicht quer durch die Almwiesen oder erschreckten die Kühe!Rheinschlucht b. Versam

Von Obersaxen geht's es über Illanz nach Versam/Bonaduz, abseits der Hauptstrecke. Diese werden wir auf der Heimfahrt nehmen, in der Hoffnung auf etwas dünneren Verkehr. Hinter Illanz wird die Straße schmal und es herrscht kaum Verkehr. Ab Carrera hat man immer wieder gute Ausblicke auf die Vorderrheinschlucht. Vor 12-15.000 Jahren hat hier ein gewaltiger Bergrutsch bei Flims den Rhein gezwungen seinen Weg zu ändern. Dabei ist diese imposante Canyon-Landschaft entstanden.

Vorsicht ist geboten mit den Regenrinnen der Schweizer Straßen. Besonders dann, wenn so eng zu geht wie auf dieser Straße und sie nicht durch eine Markierung abgegrenzt sind. Beim Ausweichen oder beim Abstellen des Motorrades, wenn der Fuß ins Nichts tritt, steht man kurz vor einem Sturz.

Nach einer schmalen Brücke mit Einbahnverkehr erhält man tolle Blicke in die wilde Rabiusa-Schlucht. Auch die Straße bereitet auf vielen Kurven, Tunneln und Galerien eine Menge Spaß. Erst etwa 3 km vor Bonaduz führt sie schnurgerade durch Wald. In der Ortsmitte halten wir uns rechts Richtung St. Berardino/Thusis. Der Hinterrhein begleitet uns in seinem Tal an Thuisis vorbei bis zur Via Mala.

Die Via Mala, der "böse Weg", war seit der Römerzeit lange die einzige Verbindung zwischen dem Domleschg und dem Süden. Es war ein so gut wie ungesicherter Weg am Hang der Schlucht, oberhalb des reissenden Wassers. Erst im 18. Jahrhundert errichteten Transportgesellschaften Bogenbrücken aus Naturstein. In die Schlucht hinunter führen 321 "mautpflichtige" Treppen. Aber auch von einer der Brücken aus hat man einen guten Blick in die Schlucht. Die Tiefe läßt sich erst schätzen, Rhabiusa-Schluchtwenn man eine Person als Maßstab heranzieht, die die Treppen hinunterklettert.

Durch Zillis, bekannt durch seine Kirche mit der berühmten, bemalten Holzdecke, kommt man nach Andeer. Hier ist am Ortende aufzupassen, dass man nicht auf die Autobahn gerät. Sonst würde man die Roflaschlucht verpassen und den schmalen Weg nach Splügen. Ein paar Kilometer nach Andeer verengt sich das Tal wieder zur Schlucht und nach ein paar Kurven bergan taucht an einer Linkskurve das Gasthaus Rofla auf. Lange Zeit war es die einzige Einkehr auf dem Weg von und nach Italien. Hier sollte man absteigen und sich den Rofla-Wasserfall ansehen. Gegen einen geringen Obolus erreicht man diesen durch die Gaststätte und darf auch das Einzimmer-Museum besichtigen. Dabei stellt man sofort fest, dass das von außen unscheinbare Gebäude innen eine gemütliche Gastwirtschaft ist. Wie der Wirt sagt, werden ihm zur äußerlichen Modernisierung einfach zu viele Knüppel in den Weg geworfen.

Die Geschichte des Wirtshauses ist ganz interessant. 1882 kam die Eisenbahn und neue Alpenstraßen nahmen dem Wirt die Einnahmen. Der junge Matthias Melchior Pitschen wanderte nach Amerika aus. Dort traf er irgendwann einen reichen Engländer, Mr. Via Mala. Der rote Punkt ist ein Erwachsener auf der Treppe nach untenGrambackel, der ihn als Diener auf seinen Reisen anstellte. An den Niagarafällen beeindruckten ihn nicht nur die herabstürzenden Wassermengen, sondern auch wie sich diese durch Souvenirs vermarkten ließen. Er entsann sich an einen Wasserfall in seiner Heimat, den er immer gehört, aber nie zu Gesicht bekommen hatte. So entschloß er sich wieder mit seiner Familie zurückzukehren, um ebenfalls aus dem Wasserfall Geschäft zu ziehen. Zuerst versuchte er mit Spitzhacke und Schaufel den Wasserfall freizulegen, später mit Sprengstoff. Bald hatte er den Spinner weg. Erst nach sieben Jahren und 8000 Sprengladungen -- von Hand in den Fels getrieben -- lag der Wasserfall frei und kann noch heute besichtigt werden. Der Erfolg stellte sich ein, aber nur bis 1967. Der Autobahnbau nahm wieder die Gäste. Heute sind sie hauptsächlich Fahrrad- und Motorradfahrer, sowie Dosentreiber, die einen Ausflug dorthin machen.

Nach der Schlucht erscheint die Staumauer des Sufer Sees und wir sind bald in Splügen. 1995 wurde der Ort für sein intaktes Dorfbild aus Walser- und Bürgerhäusern ausgezeichnet. Wie aber dem Gasthaus machte der Autobahnbau mit dem Berardino-Tunnel dem Ort zu schaffen. Der Pass verlor seine wirtschaftliche Bedeutung.

Wir halten uns links und beginnen den Anstieg auf den Splügenpass. Anfangs führt eine breite Straße nach oben, die keine besonderen fahrerischen Voraussetzungen fordert. Aber mit steigender Höhe beginnt der Fahrspass richtig. Eine Rampe mit 14 engen Kehren führt hoch zur Passhöhe (2113 m) und der italienischen Grenze. Steingedeckte Häuser säumen den Weg. Vorbei am Splügensee gibt's noch eins drauf: 20 enge und überhöhte Kehren sind bergab zu meistern. Eine davon beginnt hinterhältigerweise im Dunkel einer Galerie. Diese sind oft feucht und unbeleuchtet, genauso wie die Radfahrer die man erst im letzten Moment bemerkt.

An der Kreuzung Splügenpassin der Nähe von Pianazza fahren wir Richtung Chiavenna und italienisches Flair wird allgegenwärtig.

Fast bis nach Chiavenna kommen immer wieder Kehren und jede Menge Kurven. In Chiavenna fahren wir links Richtung St. Moritz. Kurz vor der Schweizer Grenze machen wir erst mal Mittag in einer der Grotti an der Straße. Hier ist das Essen und Trinken deutlich günstiger als nach der Grenze. Ein Grotto ist vergleichbar mit einem fränkischen "Keller" oder bayerischem Biergarten, an dem allerdings eher Wein als Bier ausgeschenkt wird.

Frisch gestärkt fahren wir nach der Grenze durch das Val Bregaglia (Bergell) und freuen uns auf den Malojapass (1815 m) . Dieser Pass hat nur eine einzige Rampe. Diese verfügt aber über ausreichend gut ausgebaute Kehren und Kurven in denen die Fußrasten Material lassen. Oben angekommen öffnet sich eine Hochebene mit dem Silser und dem Silvaplaner See. Links und rechts eingerahmt von Dreitausendendern fahren wir am Wasser entlang bis Silvaplana. Hier machen wir einen Abstecher in die Tourimetropole St. Moritz. Ein Hotel neben dem anderen klebt am Hang. Die Reihe wird nur von Einrichtungen zum Geldholen und Ausgeben unterbrochen. Unten am Moritzer See befindet sich ein Feriendorf mit mehrstöckigen Häusern. Wir drehen wieder um, fahren auf der 27 zurück nach Silvaplana und fahren hoch zum Julierpass (2284 m).Auffahrt zum Malojapass

Nach der ersten Kehre bietet sich ein toller Ausblick hinunter nach Silvaplana, der Oberengadiner Seenplatte, hinüber auf den Piz Bernina und einer beeindruckenden Bergwelt. Diese Hochgebirgswelt erleben wir auch am Julierpass, beim Durchfahren der Steinwüste vor der Passhöhe. Optisch ist der Julier zwar beeindruckend, vom Fahren her aber weniger ergiebig. Die Abfahrt aus der felsigen, steinigen und kargen Gegend ist nicht viel anders als die Auffahrt. Schön ist die Aussicht hinunter auf Bivio. Landschaftlich ebenfalls recht hübsch ist auch der weitere Streckenverlauf durch Nadelwald bis hinunter zum Marmorera-Stausee.

Ab hier wird der Verkehr eng. Viele Laster und Schleicher sind unterwegs. So wird die Fahrt durch's eigentlich reizvolle Julia-Tal zur Tortur. Überholmöglichkeiten sind rar und das nächste Hindernis kommt umgehend. Erst ab Tiefencastel ändert sich die Lage. Wir fahren Richtung Chur/Thusis und anschließend nach Lenzerheide. Gleich nach dem Abzweig warten ein paar schöne Kurven und Kehren bergauf und bieten einen prima Blick hinunter ins Tal. Bis Lenzerheide ist die Strecke super zu fahren.

Um Lenzerheide soll einmal Julier Passhöheeine moorige, landwirtschaftlich nicht nutzbare Heidelandschaft existiert haben, die Zigeunern und anderem fahrendem Volk, wie Kesselflickern, zugewiesen wurde. In Obervaz mußten auf Churer Bischofsgeheiß im 19. Jahrhundert die "Nichtsnutze" das Bürgerrecht annehmen. Deshalb bevorzugten früher angeblich die Säumer lieber den Weg durch das Domleschg, der ihnen weniger gefährlich erschien.

Nach Malix erwarten uns nochmals jede Menge Kehren und Kurven vorbei an der Rabius-Schlucht hinunter nach Chur. Die ganze Stadt läßt sich von hier oben überblicken.

In Chur fahren wir auf die Autobahn bis zur Abfahrt Reichenau/Flims. Dabei bewegen wir uns auf der anderen (linken) Rheinseite, als bei Tourbeginn. Durch bekannte Wintersportorte kommen wir zurück nach Illanz und fahren jetzt auf der 19 weiter, an Tavanessa vorbei bis zum Abzweig nach Obersaxen. Über eine kleine Straße und eine noch schmalere Steinbrücke kommen wir zurück zum Ausgangspunkt.

Fazit:

Die eindrucksvollen Bilder der Rheinschlucht, der Via Mala und der Roflaschlucht bleiben sicher unvergessen. Der Splügenpass fordert Konzentration und ist sicher nichts für Anfänger auf ihrer ersten Passfahrt nach Süden; für den Geübten aber eine feine Sache. Die landschaftliche Abwechslung zwischen grünen Tälern und kargem Hochgebirge, wie auch zwischen Bündener Ernsthaftigkeit und italienischer Lebensweise sorgt für die nötige Kurzweil.